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Erschienen in: „11Freunde“ #157, Dezember 2014

Mark Roberts, warum machen Sie das?

Ich will die Leute zum Lachen bringen. Dir passiert so viel Schlechtes im Leben, du siehst Leute krank werden, sterben, und am Ende stirbst du auch.

 

Das klingt nicht nach jemandem, der an viel Spaß glaubt.

Es geht darum, das Leben anzunehmen. Ich habe 2004 bei Real Madrid gegen Barcelona einen streak gemacht. Die Beamten nahmen mich fest und brachten mich in eine Zelle. Ich fragte nach meinen Klamotten, die hatten sie ja eingesammelt. Ein Beamter sagte: „No!“ Um zwei Uhr nachts schmissen sie mich auf die Straße. Ich dachte an einen Scherz, aber ich bekam mein Zeugs nicht wieder. Also stand ich da, nackt, frierend, ohne Ausweis, Telefon und Geld. Und was tut man da?

 

Anfangen zu heulen?

Ich habe mir gesagt: Ich gönne denen das nicht, ich werde es verdammt noch mal genießen.
Also habe ich mein Lächeln aufgesetzt und bin durch Madrid gerannt.

 

Wurden Sie wieder festgenommen?

Nein. Ein Mann kam auf mich zu: „Du warst das vorhin im Stadion! Das war großartig!“ Er rief ein Taxi, gab mir 20 Euro und schickte mich zu einem Hotel. Der Portier gab mir Klamotten und was zu essen. Man muss eben eine Tür aufmachen, um zu sehen, was dahinter ist.

 

Manchmal verfolgt Sie ein Dutzend Sicherheitsleute. Macht das einen Teil des Spaßes aus?

Wissen Sie, ich war an einer christlichen Schule und wurde dort geschlagen. Immer mit dem Stock auf die Hände. Ich bekam auch Schläge, wenn ich nichts gemacht hatte. Also hab ich mir gesagt: Scheiß drauf, dann will ich mir die Dresche wenigstens verdienen.

 

Das verfolgt Sie bis heute?

Ich werde nicht gerne bevormundet. Wenn ich durch ein Stadion laufe, nackt, verletzlich, und werde von bewaffneten Polizisten verfolgt, dann ist das doch großartig. Es ist meine Art, der Obrigkeit zu zeigen, dass sie mich mal gerne haben kann.

 

Sie sind bei Polizisten sicher nicht besonders beliebt.

Manche mögen mich nicht, ja. Aber vielen sagen hinterher: „Das war toll!“ Ich musste viele Jahre bei jedem England-Länderspiel meinen Pass abgeben und am Tag des Spiels aufs Revier in Liverpool kommen. Mit manchen Polizisten bin ich heute befreundet.

 

Sie haben das so oft gemacht, sind Sie überhaupt noch nervös?

Machen Sie Scherze? Mein Herz wummert wie verrückt. Kurz vor dem Moment laufe ich wie auf Autopilot. Ich setze ein Grinsen auf, juble, springe, wüte, gestikuliere, all das, was die Leute um mich herum auch machen. Aber das ist eine Hülle. Eigentlich suche ich den Weg, wie ich auf den Platz kommen kann.

 

Wie genau machen Sie das?

Ich beobachte die Ordner, suche nach Schwachstellen. Egal was du machst, es muss so aussehen, als sei alles ganz normal. Und dann muss es schnell gehen. Ich habe Klamotten mit Klettverschluss, die kann man einfach so aufreißen. Darunter trage ich dann nichts, außer vielleicht einen lustigen String. Ich werde also in zwei, drei Sekunden vom angezogenen Fan auf der Tribüne zum nackten Flitzer.

 

Hatten Sie nie Angst, dass Ihnen etwas passiert?

Beim Super Bowl 2004 hatte ich Angst. Das war relativ kurz nach dem 11. September. Ich hatte im schlimmsten Fall damit gerechnet, dass mir jemand in die Beine schießt. Die hatten bestimmt Scharfschützen auf dem Dach.

 

War die Nummer besonders schwierig?

Ich trug unter meinen Sachen eine Schiedsrichteruniform. Die hatte ich bei der NFL bestellt und mit Klettverschlüssen versehen. Dann bin ich einfach in der Uniform auf den Platz, als gehörte ich dahin. Im Jahr darauf bekam ich einen Anruf des Sheriffs von Jacksonville, dem Austragungsort des nächsten Super Bowl. Er wollte wissen, wo ich bin. Ich habe nur gesagt: „Achten Sie auf eine alte Frau mit Buckel!“ – und habe aufgelegt.

 

Können Sie verstehen, dass manche Zuschauer Flitzer nicht mögen?

Das liegt an Leuten wie Jimmy Jump, die während des Spiels flitzen und es beeinflussen. Ich mag den Fair-Play-Gedanken, deswegen habe ich das fast immer kurz vor der zweiten Halbzeit gemacht.

 

Wie, glauben Sie, stehen die Sportler zu Ihnen?

Ich habe einen streak beim Finale der Snooker-WM 2008 gemacht. Hinterher rief mich Ronnie O’Sullivan an, der ja eigentlich als Heißsporn bekannt ist. Aber er hat sich bei mir bedankt. Ronnie meinte, er habe sich danach wieder besser konzentrieren können. Und schließlich ist er Weltmeister geworden.

 

Ist Ihren drei Kindern Ihr Vater nicht manchmal peinlich?

Sehr peinlich. Sie haben oft gesagt, dass ich aufhören soll. Und als ich bei der Casting-Show X-Factor „teilnehmen“ wollte, da haben sie fast gefleht – ihre Freunde gucken das ja.

 

Was war das Schlimmste, was Ihnen passiert ist?

Ich war mal bei den Crufts in Birmingham, der größten Hundeshow der Welt. Ich hatte nur einen String mit einer Plüschkatze an und bin so in die Bewertung der Jagdhunde gelaufen. Ein sehr großer, sehr breiter Sicherheitsmann brachte mich in einen Nebenraum und hat mich 15 Minuten lang verprügelt, sogar ein paar Rippen waren gebrochen. Das muss man sich mal vorstellen: Ich mache weit über 500 streaks, und die schlimmste Dresche kriege ich bei einer verdammten Hundeshow.

(© Text: Gerd Schild / Foto: Jason Alden)

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